Eine ältere Frau auf einem Rollator sitzend. Im Gespräch mit einem neben ihr stehenden Mann. Die Augenpaare der Beiden heften sich an uns, als wir langsam mit dem Auto die Dorfstraße von Ritzleben hochfahren. Ich winke mit einer Hand zum Gruß. Ein verhaltenes Kopfnicken als Reaktion. Wir biegen in die Hofeinfahrt unserer Unterkunft ein. Ein alter Gutshof aus dem letzten Jahrhundert. Erbaut von Gustav und Minna, wie es auf einer Tafel am Eingang steht.
An den folgenden Tagen gehe ich öfters über die Dorfstraße. Aus groben Feldsteinen gepflastert. Im Laufe von über hundert Jahren durch Fahrzeuge glatt geschliffen. In der Mitte ist die Straße leicht nach oben gewölbt. Zu den Rändern hin abfallend. Mit Spannung gebaut, damit die Steine sich selbst stützen. Was sie immer noch tun. Mit ein paar Ausnahmen.
Viele Gutshäuser, manchmal Sitzbänke davor. Keine Menschen. Einmal ein Kind in einer Hängeschaukel, die an einem dicken Ast eines Kastanienbaumes verknotet ist.
Zwischen zwei roten Ziegelbauten eine Lücke. Belegt mit einer Wiese. Eins von drei Pferden kommt sehr zielgerichtet auf mich zu, als ich mich an den Zaun stelle. Eine dichte weiße Mähne verdeckt seine Augen. Minutenlang starren wir uns an. Ich spiele das Spiel: wer gibt als Erster auf.
Ein älterer Mann schiebt gemächlich ein Fahrrad aus einer Hofeinfahrt - auch direkt auf mich zu. Ein schönes Pferd, sagt er.
Islandpferd? Frage ich. Nein, ein Haflinger, antwortet er. Die letzten drei von ungefähr zwanzig. Drei Haflinger will er noch behalten. Weil er drei Enkel hat.
Ich war nicht doof, sagt er, als er die anderen Pferde vor ein paar Jahren an Händler aus Osnabrück und Bielefeld verkaufte. Die ihn runterhandeln wollten, weil sie bis hierhin ja soweit fahren mussten.
Meine Gastgeber seien ja damals in den Westen abgehauen. Jetzt geht's ihnen gut. Als sie nach der Wende zurückkamen und entschädigt wurden. Die brauchen nicht mehr zu arbeiten.
Wir waren nicht doof, sagt er, als wir nach der Wende Gebühren für die Versickerung des Regenwassers unserer großen Dächer zahlen sollten. Wir klemmten einfach die Zuleitungen zu dem Mischwasserkanal ab. Ließen das Regenwasser auf dem eigenen Grundstück verrieseln. Doch hinten am Ende des Dorfes kommt jetzt zuwenig Wasser in den Sickerteichen an. Es hatte immer funktioniert. Und jetzt sollen wir mit großen Pumpwerken an eine teure Kläranlage angeschlossen werden. Vielleicht gibt es dann ja endlich eine neue Dorfstraße.
Dort drüben auf der anderen Seite war der Konsum. Die Milch wurde damals schon in Flaschen verkauft. Die waren dreimal so teuer wie die Milch. Wir waren nicht doof, sagt er. Keine leeren Flaschen flogen in der Gegend rum.
...
Am Ende seiner vielen Sätze wünschen wir uns einen schönen Tag. Zwei Menschen auf der Dorfstraße von Ritzleben. Es war ihm offensichtlich ein Bedürfnis. Wir gehen auseinander. Der Haflinger grast jetzt ganz hinten auf der Wiese. Ich habe das Spiel verloren. Ein Auto rappelt viel zu laut, weil zu schnell über die Feldsteine. Danach Ruhe, auch keine Worte mehr. Keine Menschen zu sehen auf der Dorfstraße von Ritzleben.
An den folgenden Tagen gehe ich öfters über die Dorfstraße. Aus groben Feldsteinen gepflastert. Im Laufe von über hundert Jahren durch Fahrzeuge glatt geschliffen. In der Mitte ist die Straße leicht nach oben gewölbt. Zu den Rändern hin abfallend. Mit Spannung gebaut, damit die Steine sich selbst stützen. Was sie immer noch tun. Mit ein paar Ausnahmen.
Viele Gutshäuser, manchmal Sitzbänke davor. Keine Menschen. Einmal ein Kind in einer Hängeschaukel, die an einem dicken Ast eines Kastanienbaumes verknotet ist.
Zwischen zwei roten Ziegelbauten eine Lücke. Belegt mit einer Wiese. Eins von drei Pferden kommt sehr zielgerichtet auf mich zu, als ich mich an den Zaun stelle. Eine dichte weiße Mähne verdeckt seine Augen. Minutenlang starren wir uns an. Ich spiele das Spiel: wer gibt als Erster auf.
Ein älterer Mann schiebt gemächlich ein Fahrrad aus einer Hofeinfahrt - auch direkt auf mich zu. Ein schönes Pferd, sagt er.
Islandpferd? Frage ich. Nein, ein Haflinger, antwortet er. Die letzten drei von ungefähr zwanzig. Drei Haflinger will er noch behalten. Weil er drei Enkel hat.
Ich war nicht doof, sagt er, als er die anderen Pferde vor ein paar Jahren an Händler aus Osnabrück und Bielefeld verkaufte. Die ihn runterhandeln wollten, weil sie bis hierhin ja soweit fahren mussten.
Meine Gastgeber seien ja damals in den Westen abgehauen. Jetzt geht's ihnen gut. Als sie nach der Wende zurückkamen und entschädigt wurden. Die brauchen nicht mehr zu arbeiten.
Wir waren nicht doof, sagt er, als wir nach der Wende Gebühren für die Versickerung des Regenwassers unserer großen Dächer zahlen sollten. Wir klemmten einfach die Zuleitungen zu dem Mischwasserkanal ab. Ließen das Regenwasser auf dem eigenen Grundstück verrieseln. Doch hinten am Ende des Dorfes kommt jetzt zuwenig Wasser in den Sickerteichen an. Es hatte immer funktioniert. Und jetzt sollen wir mit großen Pumpwerken an eine teure Kläranlage angeschlossen werden. Vielleicht gibt es dann ja endlich eine neue Dorfstraße.
Dort drüben auf der anderen Seite war der Konsum. Die Milch wurde damals schon in Flaschen verkauft. Die waren dreimal so teuer wie die Milch. Wir waren nicht doof, sagt er. Keine leeren Flaschen flogen in der Gegend rum.
...
Am Ende seiner vielen Sätze wünschen wir uns einen schönen Tag. Zwei Menschen auf der Dorfstraße von Ritzleben. Es war ihm offensichtlich ein Bedürfnis. Wir gehen auseinander. Der Haflinger grast jetzt ganz hinten auf der Wiese. Ich habe das Spiel verloren. Ein Auto rappelt viel zu laut, weil zu schnell über die Feldsteine. Danach Ruhe, auch keine Worte mehr. Keine Menschen zu sehen auf der Dorfstraße von Ritzleben.
Das starrende Pferd:
Die Pflasterung der Dorfstraße von Ritzleben: