Scheiße

Katzenscheiße | wie Charly zu Tode kam

Manchmal führt Katzenscheiße zum Tode, vor allem, wenn sie von der nachbarlichen Katze stammt.

Text veröffentlicht im schreiblust-verlag.de

Charly saß auf einem Stuhl im sorgfältig gepflegten Hintergarten seines Hauses. In letzter Zeit hielt er sich dort oft und sehr lange auf. Er ließ seinen Blick über die Beete schweifen. Nicht, weil er sich an der Natur erfreuen wollte. Im Wesentlichen war sein Blick auf das Trockenbeet am Ende des Gartens fokussiert.
Neben seinem Stuhl lag der Gartenschlauch. Jederzeit einsetzbar gegen eine Katze. Die ausgerechnet im Trockenbeet ihren Kot hinterließ. Katzenscheiße, wie Charly es gegenüber seiner Frau formulierte.
In den vergangenen Tagen entfernte er fast täglich die Katzenküddel mit einem kleinen Gartenschäufelchen aus dem sandigen Boden des Trockenbeetes. Angewidert schleuderte er sie anschließend zu seinen Nachbarn über die Hecke. Mal zum rechten, mal zum linken Nachbarn.
Charly hatte nichts gegen Tiere. Er mochte die Vögel in seinem Garten. Sofern sie nicht zu viel Lärm machten. Wie die Tauben. Auch gegen eine Katze hätte er nichts einzuwenden. Wenn diese eine nicht ständig in sein Trockenbeet kacken würde. Die scheißende Katze hatte Charly nie persönlich angetroffen. Der Wasserschlauch kam nie zum Einsatz. Anscheinend spürte die Katze Charlys negative Energie. Wollte ihm nicht begegnen. Kam zum Abführen immer nur nachts.
Charly ließ sich ungern von einer scheißenden Katze vorführen. Deswegen überlegte er sich nach sechs Tagen, den nächsten Eskalationsschritt in der Abwehr des nervigen Tieres einzuleiten.
In der Küche fand Charly noch eine Dose mit Tunfisch. Die musste sowieso weg, da das Mindesthaltbarkeitsdatum schon um einen Monat überschritten war. Er öffnete sie. Es roch etwas streng.
Danach ging Charly in den Werkzeugkeller. Von einem Verlängerungskabel entfernte er die Buchse. Isolierte die drei Kabelenden ein Stück ab, sodass der blanke Kupferdraht zu sehen war. Den gelbgrünen Schutzleiter ignorierte er. Das tat er wohlüberlegt. Und mit voller Absicht. Von den beiden anderen Drahtenden befestigte er einen an der Tunfischdose und den anderen an einem metallenen Zelthering.
Anschließend ging Charly in den Anschlusskeller. Er schaltete den Strom für die Gartensteckdosen aus. Er informierte anschließend seine Frau, dass er jetzt eine Tunfischdose im Trockenbeet positionieren würde. Um die scheißende Katze mit einem Stromstoß ins Jenseits zu befördern. Und dass die beste Ehefrau der Welt um Himmels willen und auf keinen Fall diese Dose berühren dürfe.
Seine Frau protestierte nur kurz. Nicht weil die unter Strom stehende Tunfischdose eine Gefahr für sie oder andere Besucher des Gartens darstellen würde. Es tat ihr vielmehr leid um die Katze. Die doch nur dem natürlichen Drang des Kotens nachging. Und er solle sich doch nicht über eine kleine Katze aufregen. Das sei nicht gut für sein schwaches Herz.
Charly steckte das präparierte Verlängerungskabel in die Gartensteckdose. Stellte die offene und verkabelte Tunfischdose am Ende des Kabels auf einen Blumenuntersetzer aus Kunststoff in das Trockenbeet. Den metallenen Zelthering steckte er direkt daneben in den Boden. Anschließend ging er zurück in den Anschlusskeller. Er schaltete den Strom für die Gartensteckdosen wieder ein. Mit einem Strommessgerät prüfte er abschließend, ob die Tunfischdosenkonstruktion auch unter Strom steht. Oder noch was zu verändern wäre.
Zufrieden betrachtete er sein Werk. Mit Wasser aus der Gießkanne befeuchtete Charly das Umfeld des Arrangements ein wenig. Sobald diese widerliche Katze die Dose berühren oder Tunfisch aus der Dose fressen würde, wäre der Stromkreislauf geschlossen. Ein heftiger Stromschlag würde dem Tier den Rest geben.
An den folgenden Tagen ging Charly direkt nach dem Aufwachen und noch vor dem Frühstück ein wenig angespannt und aufgeregt in den Garten. Hoffend, dass die scheißende Katze endlich tot neben der Tunfischdose liegen würde. Aber das war nie der Fall. Er musste weiterhin die Katzenausscheidungen in dem Trockenbeet zusammensuchen. Schleuderte sie jeden Morgen wütender zu seinen Nachbarn über die Hecke. Mal zum rechten, mal zum linken Nachbarn.
An einem Morgen nach dem Aufwachen, als Charly wie immer morgens das Licht seiner Nachttischlampe einschaltete, blieb diese dunkel. Er überlegte kurz, was der Grund dafür war. Schlagartig kam ihm die Idee, dass vermutlich und endlich ein Kurzschluss im Garten ausgelöst wurde - verursacht durch seine geniale Katzentötungsmaschine. Hastig schlüpfte er in seine Hausschuhe, stürzte erwartungsfroh im Schlafanzug die Treppe runter. Öffnete die Terrassentür zum Garten. Lief auf die Tunfischdose zu. Sah eine Maus an der Tunfischdose. Mausetot. Halb im Tunfisch liegend. Halb auf dem vom Morgentau noch feuchten Trockenbeet. Die Tötungsmaschine schien grundsätzlich zu funktionieren. Charly ärgerte sich. Dass es das falsche Tier getroffen hatte. Eine unschuldige Maus. Jetzt ein Opfer der scheißenden Katze.
Die Tage und Nächte gingen dahin, ohne dass Charly morgens mal eine tote Katze neben der Tunfischdose gefunden hätte. Auch Mäuse oder andere Tiere fielen nicht mehr der Katzentötungsmaschine zum Opfer. Hin und wieder tauschte er den gammeligen Tunfisch in der Dose aus. Mit der Zeit verlor er allerdings das Thema Katzenscheiße ein wenig aus den Augen. Andere wichtige Dinge im Garten nahmen seine Zeit mehr in Anspruch. Nach dem Auskratzen der vermoosten Terrassenfugen das Abflammen des Wildkrauts aus den Fugen des gepflasterten Gartenweges.
Am letzten Tag in Charlys Leben standen mittags unangekündigt und nach langer Zeit mal wieder die Tochter einschließlich Enkeltochter und Hund vor dem Haus. Hund und Enkel flitzten nach dem Öffnen der Tür und der Begrüßung erst ein paar Runden durch das Wohnzimmer und dann direkt raus in den Garten durch die offenstehende Terrassentür. Der Hund bemerkte den für ihn an diesem Ort ungewohnten Geruch von Tunfisch. Er trottete langsam, aber zielstrebig in Richtung der voll funktionsfähigen Katzentötungsmaschine. Charly realisierte die sich anbahnende Katastrophe. Stürzte hinter dem Hund her. Mit der Absicht, ihn noch rechtzeitig aus der Gefahrensituation zu schubsen. Fast gleichzeitig kamen Charly und der Hund am Todesort von Charly an. Charly gelang es, in einer Art Reflex die Dose barfuß mit dem rechten Fuß noch rechtzeitig von dem Hund wegzustoßen.
Charly spürte einen heftigen Stromschlag. Von seinem rechten Fuß einmal durch sein schwaches Herz bis in seinen linken Fuß. Charly durchblitzte gedanklich noch ansatzweise der Fluch „scheiß Köter“.
Doch dann ging bei Charly schon das Licht aus.